Sie waren und sind maßgeblich für unsere Würzburger Position; ihnen gebe ich daher bewußt den zentralen Platz im Vortrag. Die folgenden Aussagen bleiben selbst dann gewichtig, wenn sich erweisen sollte, daß von Mobilfunkanlagen keine Risiken für Menschen und Mitgeschöpfe ausgehen.
„Kirchtürme haben Verweischarakter und einen Verkündigungsauftrag
Über mögliche Folgewirkungen der Funktechnik hinaus berührt das Bestreben der Netzbetreiber die zeichenhaft-religiöse Bedeutung der Kirchtürme. Sie sind Teil eines Sakralbaus. Von vorneherein will man im Bistum Würzburg Entwicklungen entgegenwirken, die zu deren Abwertung zu „Masten“ für Sendeanlagen oder andere Funktionen führen würden. Die weithin sichtbaren, unsere fränkische Heimat prägenden Türme verweisen über das Hier und Heute hinaus auf Gott. Das Kreuz auf der Turmspitze und die geweihten, gesalbten Glocken erinnern sichtbar und hörbar an die Gegenwart Gottes und laden ein zum Gebet. Selbst die Turmuhren, die gerne als Argument für schon lange übliche „profane“ Funktionen der Kirchtürme ins Feld geführt werden, sind im Tiefsten Zeichen für die Vergänglichkeit des irdischen Lebens, das aufgehoben ist in der Ewigkeit Gottes.“
Prof. Dr. Stephan Meyer-Wenkhoff vom Seminar für Praktische Theologie im Fachbereich Evangelische Theologie an der Johannes-Guttenberg-Universität Mainz kommt in einer Stellungnahme zu dem Fazit, „daß die ökonomische Nutzung von Kirchtürmen durch Vermietung an Mobilfunkgesellschaften in hohem Maße schädlich, dem Kirchengebäude disfunktional und dem liturgischen Vollzug widersprechend ist“ Brief an Prof. Hensch vom 6.12.1999). Zur Begründung erinnert er daran, daß
- für gelingendes menschliches Leben Symbole unverzichtbar seien,
- Vertikalbauten wie Kirchtürme sei Jahrtausenden Symbol der Verbindung von Himmel und Erde sind,
- dem Symbol durch rationelle Fremdnutzung die Sinnlichkeit und damit die Grundlage entzogen würde.
In der Tat liegt hier noch ein bemerkenswerter Unterschied zu öffentlichen Funktionen, die Kirchtürme in der Vergangenheit durchaus wahrgenommen haben und die gerne als Argument von Befürwortern der Sendeanlagen auf Kirchtürmen angeführt werden – etwa Läuten als Warnung vor Feuer oder feindlichen Angriffen, sichtbares Angeben der Zeit, Aufbewahrungsort für verbindliche Maße wie die eiserne Elle oder der steinerne Scheffel (dpa, Juli 1998). Bei all dem war kein kommerzieller Nutzen im Spiel. Diese Funktionen erfüllten vielmehr den Tatbestand der Gemeinnützigkeit.
Ethische Gründe: Vor-Sorge und Sorg-falt im Umgang mit allen Geschöpfen; Abwägen zwischen konkurrierenden Belangen
Solange nicht erwiesen ist, daß die gepulste Strahlung weder aktuell noch langfristig zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt, steht es der Kirche gut an, aus ethischer Verantwortung für Mensch und Schöpfung Vor-Sicht walten zu lassen. Pfarrer Staudt brachte es verständlich zum Ausdruck: „Kirchen sind Orte des Heiles. Wir sollten mit Neuerungen dieser Art behutsam umgehen“, statt sich dem Vorwurf auszusetzen: „Wenn es um Geld geht, nehmen die Kirchen alles“.
Ich selbst hatte es 1998 so formuliert:
„Ab welcher Feldstärke elektromagnetische Strahlung die Gesundheit oder das Wohlbefinden von Menschen beeinträchtigen kann, wird erforscht. Eindeutige Belege dafür, daß Erkrankungen auf nach geltenden Normen betriebene Sendeanlagen zurückzuführen seien, gibt es meines Wissens nicht. Doch in verschiedenen Fragen sind „mögliche Wirkungsmechanismen bisher noch vollkommen ungeklärt“ (Fachinformation „Stichwort Mobilfunk“ 1/1997, hrsg. vom Bayer. Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, S.19). Das ethische Prinzip der Vorsorge legt es nahe, mit einer Installation solcher Anlagen auf Kirchtürmen inmitten von Wohnsiedlungen zumindest solange zu warten, bis gesicherte (!) Erkenntnisse über deren Unbedenklichkeit vorliegen. „Sofern die Bedenken nicht eindeutig ausgeräumt werden können, sollte der Kirchengemeinderat den Einbau einer Mobilfunkantenne ablehnen“, empfiehlt Dr. Hans-Joachim Böhm, der Umweltbeauftragte der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.“
Sonst verliert das Eintreten der Kirche für das Leben und die Bewahrung der Schöpfung an Glaubwürdigkeit. Dann aber wäre der immaterielle Schaden größer als der materielle Nutzen aus der Installation.
Zum verantwortungsbewußten Handeln gehört auch das gründliche Abwägen von Alternativen: Wie eine Reihe von Kommunen haben auch wir dafür plädiert, anstelle von Sendeanlagen im Wohngebiet Alternativstandorte außerhalb der Siedlungen zu bevorzugen. Sind diese aber wirklich risikoärmer?
Ein weiteres Beispiel: Kann der unbestreitbare Nutzen für das Leben der Menschen (Kommunikation, rasche Hilfe in Notfällen) rechtfertigen, Risiken oder gar Schäden für Menschen oder andere Lebewesen in Kauf zu nehmen?
Erwin Wespel (ehemaliger Umweltbeauftragter des Bistums Rottenburg-Stuttgart) hat als Grundsatz formuliert: „Solange es keine sicheren Erkenntnisse gibt, bleibt eine Abwägung notwendig, die im Sinne einer Zukunftsvorsorge alle Bedenken ernst nehmen sollte.“
Zu denken gibt mir auch Folgendes: Wo Belange des Denkmalschutzes berührt sind, ist ein Anbringen der Antennen an der Außenwand des Turmes auszuschließen. Was für den Schutz eines Denkmals gilt - sollte das nicht erst recht für den bestmöglichen Schutz des Lebens vor vermeidbaren Gefährdungen gelten?
Pastorale Gründe: Integrieren statt spalten
Eine Glaubensgemeinschaft und ihre Repräsentanten – allen voran die Pfarrer – haben in der Welt gerade auch einen Dienst der Versöhnung und des Dialogs (Pontifex = Brückenbauer) zu leisten. Wo anerkannte Integrationsfiguren am Ort fehlen, kann dies verheerend für den Zusammenhalt und den sozialen Frieden in einer Gemeinde sein. Wir sehen es nicht als vorrangige Aufgabe eines Seelsorgers an, stellvertretend für eine Betreibergesellschaft vor Ort „den Kopf hinzuhalten.“ (Dies wird aber letztlich erwartet: Der Eigentümer eines Gebäudes, auf dem eine Sendeanlage installiert wird, müsse eine positive Grundeinstellung zu dieser Technik haben.)
Zusammenfassung: Eine notwendige Korrektur:
Bisweilen ist unsere Haltung in Medien so dargestellt worden, als hielten wir die Sendeanlagen erwiesenermaßen für gesundheitsschädlich und dies sei das ausschlaggebende Motiv unserer Stellungnahme gewesen. Wenn fundierte Überlegungen mißbraucht und uns Aussagen in wörtlicher Rede in den Mund gelegt wurden, die weder Herr Schädel noch ich gesagt haben, dann schaden letztlich diese Autoren sich und ihrem Anliegen!