Während Erneuerbare Energien einen wachsenden Anteil an der Stromerzeugung leisten, stützt sich der Verkehrssektor noch auf Mineralölprodukte. Die E-Mobilität allein macht jedoch noch keine bessere Umweltbilanz – wenn kein Ökostrom in den Tank kommt. Mobilitäts- und Energiewende müssen Hand in Hand gehen.
28.05.2016 – Mit etwa 726 Terawattstunden (TWh) liegt der jährliche Endenergieverbrauch des Verkehrssektors ungefähr auf einem Niveau mit dem industriellen Sektor und den privaten Haushalten. Damit ist er ein bedeutender Faktor für das Gelingen der Energiewende. Während sich in anderen Bereichen ein wachsender Anteil Erneuerbarer Energien beobachten lässt, stützt sich der Verkehrssektor aber noch zu 95 Prozent auf Mineralölprodukte. Dabei entfallen knapp zwei Drittel der zurückgelegten Personenkilometer auf den so genannten motorisierten Individualverkehr, was die aktuelle Bedeutung von privat oder geschäftlich genutzten PKW unterstreicht. Spätestens seit dem Manipulationsskandal um die Abgaswerte von Dieselfahrzeugen wird auch einer breiten Öffentlichkeit bewusst, dass der Weg zu umweltfreundlicherer Mobilität nicht allein durch immer weitere Effizienzsteigerungen konventioneller Verbrennungsmotoren beschritten werden kann.
Nun mehren sich diejenigen Stimmen, die im Elektrofahrzeug die saubere Alternative zu Benzin und Diesel sehen. Doch diese Aussage bedarf einer differenzierteren Betrachtung. Denn mit dem deutschen Strommix geladen verursacht ein Elektroauto einen erheblichen CO2-Ausstoß – und zusätzlich noch Atommüll. Es ist dabei zwar lokal emissionsfrei, die Umweltbelastung wird aber nur von der Straße zum Kraftwerk verlagert. Das Argument, Elektroautos seien bereits durch den vergleichsweise hohen Wirkungsgrad ihrer Motoren deutlich umweltfreundlicher als konventionell angetriebene Fahrzeuge, greift nur bedingt. Zwar entstehen – auch mit dem aktuellen Strommix – im eigentlichen Fahrbetrieb weniger Treibhausgasemissionen als beim Benziner oder Diesel, doch das Elektroauto bringt bereits ab Werk einen größeren „Rucksack“ an Umweltbelastungen mit, der sich im Laufe eines Fahrzeuglebens erst amortisieren muss.
Den ganzen Lebenszyklus erfassen
Eine umfassende Betrachtung der Umweltwirkungen verschiedener Antriebskonzepte kann sich daher nicht auf die lokalen Emissionen eines Fahrzeugs beschränken, sondern nimmt alle Schritte seines Lebenszyklus in den Blick. Die einzelnen Lebensabschnitte von der Rohstoffgewinnung, über die Produktion, den Betrieb und die Wartung bis hin zur Entsorgung werden dabei unter Berücksichtigung des notwendigen Energieeinsatzes sowie der bei Bereitstellung dieser Energie anfallenden Emissionsvorketten betrachtet. Eine umfangreiche Umweltbilanz sowohl für verschiedene Antriebskonzepte als auch für unterschiedliche Fahrzeugtypen wurde vor einigen Jahren beispielsweise vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) vorgelegt.
Im Folgenden wird auf einige Ergebnisse dieser Bilanzierung Bezug genommen, um auf zentrale Unterschiede in der Klimawirkung fossil und batterieelektrisch angetriebener Fahrzeuge hinzuweisen. Verglichen werden sollen PKW der hierzulande beliebten Kompaktklasse mit Benzin- und Dieselmotor sowie ihr elektrisches Pendant. Hierfür wird zunächst ein Blick auf die vom ifeu ermittelte Gesamtbilanz der jeweiligen Herstellungsprozesse geworfen, um im Anschluss die für den Fahrbetrieb benötigten Energiemengen genauer zu betrachten. Der ebenfalls in die Betriebsphase fallende Wartungsaufwand spielt sowohl beim Elektroauto als auch bei konventionell angetriebenen PKW mit etwa zwei Prozent der gesamten Klimawirkung nur eine untergeordnete Rolle. Wenngleich Elektrofahrzeuge, unter anderem aufgrund einer geringeren Zahl beweglicher Teile im Antrieb, nicht so wartungsintensiv sind wie herkömmliche Autos, sind die Unterschiede in der Klimawirkung nur marginal und werden daher an dieser Stelle nicht weiter berücksichtigt. Gleiches gilt für die Entsorgung der Fahrzeuge, wo sich ebenfalls kaum Unterschiede zwischen den jeweiligen Antriebskonzepten zeigen. Das Recycling einzelner Fahrzeugkomponenten wie beispielsweise der Batterie wirkt sich in der Gesamtbilanz vor allem in der Rohstoffbereitstellung für den Produktionsprozess aus und wird daher nur in diesem Zusammenhang thematisiert.
Primärenergie im Vergleich – die Batterie im Fokus
In seiner Betrachtung der Produktion konventionell angetriebener Kompakt-PKW von der Größe etwa eines VW Golf kommt das ifeu auf Treibhausgasemissionen von knapp unter sechs Tonnen CO2-Äquivalent je Fahrzeug. Dominiert wird dieser Wert dabei von der Herstellung des Fahrzeugrumpfes, auf die mehr als die Hälfte der Emissionen entfallen. Grundlegend für die Bilanzierung des Elektrofahrzeugs in vergleichbarer Größe ist die Annahme, dass dieses auf den gleichen Fahrzeugrumpf aufsetzt wie sein Pendant mit Verbrennungsmotor. Hierzu sei angemerkt, dass in der Praxis zum Teil bereits eigenständige Fahrzeugarchitekturen für Elektrofahrzeuge entwickelt werden, deren Klimabilanz entsprechend abweichen kann. Eine solche Abweichung kann, durch den Verzicht auf nicht mehr benötigte Bereiche der Verbrenner-Architektur, sowohl nach unten, als auch durch die Verwendung energieintensiver Leichtbaumaterialien nach oben erfolgen.
Grundsätzlich entstehen bei der Produktion eines Elektromotors weniger Emissionen als bei der Produktion eines Verbrennungsmotors mit vergleichbarer Leistung. Ebenfalls werden einige Bauteile konventioneller PKW wie zum Beispiel Kupplung, Abgasanlage oder Lichtmaschine im Elektroauto nicht benötigt, was dessen Umweltbilanz entlastet. Diesen Einsparungen steht aber eine erhebliche Zusatzbelastung durch die Herstellung der Batterie entgegen. Das ifeu betrachtet für die Batterieproduktion sowohl die Materialherstellung und die Materialverarbeitung als auch die Fertigung der Zellen, des Batteriemanagements und des Batteriegehäuses. Die eingesetzten Materialien werden dabei als sogenannte Primärmaterialien angesehen, die nicht aus Recyclingvorgängen stammen. Bei stärkerer Nachfrage nach den verwendeten Materialien kann sich dies aber durchaus ändern – so ging Ende des vergangenen Jahres beispielsweise eine Demonstrationsanlage zum Recycling von Lithium-Ionen-Akkus aus Elektroautos an der Technischen Universität Braunschweig in Betrieb, für deren wirtschaftlichen Betrieb derzeit allerdings noch nicht genügend Altbatterien anfallen.
Wahl der Energiequelle entscheidet
Unter Einbezug der Batterieproduktion rechnet das ifeu mit Treibhausgasemissionen von etwa elf Tonnen CO2-Äquivalent für die Herstellung eines Elektro-PKW der Kompaktklasse. Hiervon entfallen ungefähr fünf Tonnen auf die Batterie. Dieser Rechnung liegt die Annahme zugrunde, dass jedes Fahrzeug im Laufe seines durchschnittlich zwölfjährigen Lebens im Schnitt anderthalb Akkus benötigt. Von Bedeutung ist hierbei die kalendarische Lebensdauer der Zellen, für die an dieser Stelle ungefähr acht Jahre angenommen werden. Eine mögliche Zweitnutzung der Fahrzeugbatterien, beispielsweise als stationärer Energiespeicher, fließt dabei nicht in die Bilanzierung ein.
Das ifeu geht aber davon aus, dass durch zukünftige Verbesserungen von Haltbarkeit und Energiedichte der Akkus langfristig eine Reduktion der batteriebedingten Klimawirkung von fünf auf dreieinhalb Tonnen CO2-Äquivalent möglich ist. Aktuell aber stehen den etwa sechs Tonnen produktionsbedingter Treibhausgasemissionen eines Kompakt-PKW mit Verbrennungsmotor noch etwa elf Tonnen für die Herstellung eines vergleichbaren Elektroautos entgegen. Damit das Elektrofahrzeug dennoch eine positive Umweltwirkung entfaltet, ist die Wahl der Energiequelle für den eigentlichen Fahrbetrieb daher von entscheidender Bedeutung. Natürlich ist der Energieverbrauch jedes Fahrzeugs abhängig vom jeweiligen Einsatz- beziehungsweise Fahrprofil und einer Reihe fahrzeugspezifischer Faktoren wie Gewicht, Roll- und Luftwiderstand. Für den exemplarischen Vergleich der Klimawirkung eines PKW mit Ottomotor, Dieselmotor und Elektroantrieb in der Nutzungsphase wird an dieser Stelle eine Vereinfachung vorgenommen: für den Verbrauch der Verbrenner-Fahrzeuge werden die Testverbräuche angesetzt, die ein deutscher Automobilclub für die Einstiegsmotorisierungen (mit Spritspartechnologie) eines für die Kompaktklasse repräsentativen aktuellen PKW-Modells ermittelt hat. Dies entspricht 3,8 Litern Kraftstoff je 100 Kilometern Fahrstrecke für den Dieselmotor sowie 5,1 Litern Benzin auf 100 Kilometern für den Ottomotor. Für das Elektroauto wird mit einem Durchschnittsverbrauch von 16 Kilowattstunden zuzüglich 20 Prozent Ladeverlust, also 19,2 Kilowattstunden auf 100 Kilometern gerechnet.
Berücksichtigt man neben den direkten Emissionen der Verbrennungsmotoren auch den Energieaufwand für Förderung, Aufbereitung und Transport der Kraftstoffe, verursacht der benzingetriebene PKW etwa 144 Gramm CO2-Äquivalent je gefahrenem Kilometer, der Diesel emittiert auf der gleichen Strecke ungefähr 121 Gramm. Wird das Elektroauto mit dem bundesdeutschen Strommix geladen, belastet jeder Kilometer die Umwelt unter Einbezug aller Vorkettenemissionen mit ungefähr 100 Gramm CO2-Äquivalent. Im direkten Vergleich zum Benziner verliert das Elektroauto seinen produktionsbedingten 5-Tonnen-Nachteil also erst nach circa 117.000 Kilometern Fahrstrecke. Im Vergleich zum Diesel spricht die Gesamtbilanz erst nach etwas mehr als 260.000 Kilometern für das mit Graustrom geladene Elektroauto – bei einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von 12 Jahren wäre hierfür eine Jahresfahrleistung von nahezu 22.000 Kilometern notwendig.
Nur mit Ökostrom stimmt die Umweltbilanz
Deutlich positiver fällt die Bilanz aus, wenn das Elektrofahrzeug ausschließlich mit Ökostrom geladen wird. Da hier auch bei Berücksichtigung sämtlicher Vorketten nur Emissionen von etwas weniger als ein Gramm CO2-Äquivalent je Kilometer entstehen, ist das Elektroauto im Vergleich zum Diesel nach ungefähr 42.000 Kilometern und im Vergleich zum Benziner bereits nach etwa 35.000 Kilometern Fahrstrecke im Vorteil. Wird eine durchschnittliche Gesamtfahrleistung von 150.000 Kilometern je produziertem Fahrzeug angenommen verursacht ein mit Ökostrom geladenes Elektroauto im Laufe seines Lebens eine Klimawirkung von insgesamt 12 Tonnen CO2-Äquivalent. Ein mit dem aktuellen Strommix geladener Elektro-PKW verursacht hingegen etwa 27 Tonnen und liegt damit zwischen den Werten für den Diesel-PKW mit ungefähr 25 Tonnen und dem Benziner mit über 28 Tonnen Treibhausgasemissionen.
Wenngleich diese Betrachtung nicht repräsentativ für jedes Fahrzeugmodell und jedes Nutzungsprofil sein kann, zeigt sie doch, welch großen Anteil die Produktion eines Elektroautos an den insgesamt während seiner Nutzung entstehenden Emissionen hat. Ob und wie schnell dieser „Rucksack“ ausgeglichen werden kann, entscheidet sich dann vor allem durch den geladenen Strom. Darum ist es so wichtig, dass Mobilitäts- und Energiewende Hand in Hand gehen. Philip Schwieger
Quelle: http://www.energiezukunft.eu/e-mobilitaet/mobilitaetskonzepte/umweltbilanz-elektroauto-gn104084/